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Progress in Mind
„Prof. Dinesh Bhugra - Stolz darauf, grantig zu sein!“ – mit diesem überraschenden Einleitungssatz stellte sich Prof. Dinesh Bhugra, Präsident der World Psychiatric Association, einem gefüllten Auditorium vor. Die Zuhörer hatten sich in dem Plenum versammelt, um seine Ansichten darüber zu hören, wie für eine erstklassige Ausbildung von Psychiatern gesorgt werden kann.
Wie Prof. Bhugra erklärte, ist er – wie alle Psychiater – mit zunehmendem Alter immer grantiger geworden. Dabei gibt es Frustrationen, die ihn immer wieder neu aufregen. Insbesondere findet er es immer unverständlicher, dass man die klügsten und besten Studenten zum Studium der Medizin aufnimmt, um ihnen als Teil ihrer Ausbildung immer noch die Menschlichkeit austreiben und aus ihnen Techniker und Technokraten macht anstatt Heiler. Nach seiner Ansicht sollte die Psychiatrie von Beginn an im Zentrum der medizinischen Ausbildung stehen, so dass man anstelle von getriebenen und ehrgeizigen Individuen, die Teil eines Teams werden sollen, echte Teamplayer hervorbringt, die effektiv mit anderen zusammenarbeiten können und so von Anfang an zum Wohl des Patienten tätig werden.
Da sich die Praxis der Psychiatrie aus dem Krankenhaus weg zur ambulanten Versorgung verlagert hat, sind heute andere Fähigkeiten gefragt. Diese sorgen wiederum für die Veränderungen in der Ausbildung, die zukünftige Psychiater erhalten sollten.
Um die Behandlung zu optimieren, muss eine Reihe von Herausforderungen angegangen werden. Die psychische Gesundheit der Bevölkerung wird immer noch nicht ernst genug genommen. Nach seiner Ansicht wird das Stigma psychischer Erkrankungen niemals verschwinden. Die Behandlungsqualität ist nach wie vor sehr unterschiedlich. Der Einfluss der Psychopharmakogenomik wird künftig immer stärker werden. Dies bedeutet für die Zukunft, dass Schulungen zum Einsatz zielgerichteter Medikamente („targeted drugs“) in das psychiatrische Ausbildungsprogramm aufgenommen werden müssen.
Ein gerade aufkommendes Problem, das sich noch weiter verschärfen wird, ist, dass Psychiatriepatienten nicht wirklich mit Psychopharmaka behandelt werden wollen – diese Therapieoption steht für sie nicht an erster Stelle. Nach Ansicht der Patienten haben Wohnung, Beschäftigung und soziale Beziehungen als erhaltenswerte Güter Vorrang vor Medikamenten. Psychiater sollten in dieser Hinsicht ihre Rolle als Fürsprecher des Patienten nicht aufgeben.
Einen wichtigen Grund, grantig zu sein, liefert für Prof. Bhugra der französische Philosoph Descartes, der die Bedürfnisse von Körper und Geist voneinander trennte. Viel zu lange seien Ärzte und Psychiater diesem fehlgeleiteten Paradigma gefolgt und hätten nicht miteinander kommuniziert. „Psychiater als Gruppe sollten stolz auf sich sein – wir haben es mit den schwierigsten Patienten in der Gesellschaft zu tun“, stellte Prof. Bhugra fest, bevor er provozierend hinzufügte: „Wenn ein Arzt nicht intelligent genug ist für die Psychiatrie, sollte er Chirurg werden!“.
Anschließend besprach er einige der Eigenschaften, die ein guter Psychiater haben sollte. Psychiater müssten nicht nur ein fachmännischer Heiler, Gelehrte und Manager sein, sondern wahrscheinlich vor allem auch Kommunikatoren, Kollaborateure und Fürsprecher ihrer Patienten. Wie bereits gesagt wurde: Ist ein Psychiater nicht Fürsprecher seiner Patienten, werden die Patienten den Psychiater nicht unterstützen. In der Tat schien es nach Prof. Bhugras Erfahrungen bei verschiedenen Gelegenheiten, bei denen er als Lobbyist gegenüber Regierungen auftrat oder bestimmte Gruppen schulte, leichter zu sein, falsche Vorstellungen zu überwinden und das gewünschte Ziel zu erreichen, wenn er von einem Patienten begleitet wurde. Daher gehört es zu den fundamentalen Eigenschaften des Psychiaters, mit den Patienten zusammenzuarbeiten und ihnen zuzuhören.
Während seiner Präsentation beleuchtete Prof. Bhugra zahlreiche Aspekte der psychiatrischen Ausbildung, die berücksichtigt werden müssten. Wie wird zum Beispiel Vertraulichkeit definiert, wenn man es mit einem Patienten mit einer psychischen Krankheit zu tun hat? Allzu häufig sieht man die Patienten in Begleitung von Familienmitgliedern oder anderen Unterstützern, was Vertraulichkeit zu einer interessanten ethischen Frage macht.
Das Konzept der öffentlichen Gesundheitsfürsorge war ein weiterer wichtiger Bereich, der angesprochen wurde. Etwa 50% der Patienten mit psychischen Störungen erleben die ersten Symptome, bevor sie 15 Jahre alt sind, 75% der Betroffenen sind unter 25 Jahren. Daher müssen Strategien zum Management psychischer Gesundheit von Müttern und Kindern unter die Lupe genommen werden. Dabei muss jeweils geklärt werden, wie Ansätze der Frühintervention bei Patienten mit psychischen Krankheiten umgesetzt werden können.
Bei der Aufzählung der Eigenschaften eines guten Psychiaters konnte man sehen, wie Zuhörer deutlich zustimmend nickten, als Prof. Bhugra beschrieb, dass nicht nur Mitleid, sondern auch Selbstwahrnehmung im Umgang mit Patienten erforderlich ist. Zu erkennen, wie die eigenen Vorurteile unbewusst in die Art und Weise einfließen können, wie man mit einem Patienten umgeht, sowie die Rolle von Übertragung und Gegenübertragung zwischen Patient und Psychiater sollten integraler Bestandteil der Ausbildung sein.
Auch soziale Medien und deren unterschiedliche Auswirkungen auf die verschiedenen Generationen müssen berücksichtigt und die Ausbildung an die Medienkompetenz der Auszubildenden angepasst werden. Die Generation X ist jetzt die Generation Z! Wie Prof. Bhugra abschließend meinte, sind es in der Tat spannende Zeiten für Psychiater, weil es so viel Neues zu entdecken gibt. Psychiater müssen nach diesen Chancen greifen – und stolz auf ihren Beruf sein!
Die Zusammenfassung unseres Korrespondenten ist als ausgewogene Darstellung der beim Symposium präsentierten wissenschaftlichen Inhalte gedacht. Die auf dieser Seite zum Ausdruck gebrachten Ansichten und Meinungen entsprechen nicht zwangsläufig denen von Lundbeck.